Ich kann doch nicht schon wieder kündigen – oder doch?

Published Categorized as Job Coaching 4 Kommentare zu Ich kann doch nicht schon wieder kündigen – oder doch?

Sobald im Lebenslauf einige Jobwechsel erkennbar werden, kommt schnell der Begriff «Job-Hopping» auf. Sehr oft ist er noch eher negativ konnotiert. Je nach Vorstellungsgespräch wird sehr kritisch gefragt, warum denn so viele Wechsel stattgefunden haben. Und dann überlegst du dir natürlich gut, ob du beim nächsten Job, der sich als nicht der ersehnte herausstellt, schon wieder kündigen sollst.

Meine Antwort: Es kommt darauf an.

Auszüge aus einem Tagebuch

«Endlich ist der erste Arbeitstag im neuen Job da. Das ist es! Das ist endlich der richtige Job, wo ich mich wohlfühle, wo ich all meine Expertise einbringen kann und wo mein Engagement wertgeschätzt wird. Ich freue mich so und bin ganz gespannt, was ich hier auch noch alles an Neuem lernen kann und wie ich mich weiterentwickeln werde. Vielleicht kann ich ja auch noch die Weiterbildung machen, die ich schon lange im Kopf habe.

Die Einarbeitung läuft gut und ich fange an, mich auch im Team wohlzufühlen. Ich verstehe die Dynamiken immer besser und weiss, wer mit wem und wer gegen wen. Schlimm ist es nicht, und doch zeigt sich ein erster Riss im makellosen Bild, das ich von diesem Job hatte. Aber ich lerne immer noch Neues, es gibt viel Abwechslung und ich kann mich immer mehr einbringen. Meine Ideen werden aufgenommen und ich kann sie teilweise auch schon umsetzen. Also alles gut, ich bin immer noch überzeugt, dass ich hier genau richtig bin.

Nach einigen Monaten schleicht sich ganz leise ein erstes Gefühl von Wiederholung ein. Nicht schon wieder diese Aufgabe erledigen. Auch wenn die Umstände immer wieder etwas anders sind, bleibt es doch repetitiv. Und ich weiss ja inzwischen, wie es läuft. Auch die Konflikte im Team werden deutlich spürbarer und ich muss aufpassen, mit wem ich worüber spreche. Ich ziehe mich ein bisschen zurück, verbringe nicht mehr jede Pause mit den anderen und freue mich, wenn wieder Wochenende ist. Wie lange dauert es jetzt noch, bis ich endlich Ferien habe? Eine gewisse Enttäuschung beginnt sich breitzumachen: Ganz scheint es doch nicht der richtige Job zu sein, wo endlich alles stimmt und ich ankomme und bleibe. Als sich dann noch zeigt, dass andere im Team bevorzugt werden, obwohl ihre Kompetenz aus meiner Sicht nicht ganz auf dem aktuellen Stand ist, einfach aus für mich unverständlichen, persönlichen Gründen der vorgesetzten Person, wird es immer schwieriger und anstrengender für mich. Nicht schon wieder … 😞

Viele Fragen kommen auf

Vielleicht bin ich doch schon wieder am falschen Ort? Habe ich mich wieder getäuscht und es ist mehr Schein als Sein? Kann es sein, dass mich mein Gefühl (wieder) in die Irre geführt hat? Ich war doch so überzeugt und begeistert … Ich kann doch nicht schon wieder kündigen, oder?

Und woher weiss ich, ob der nächste Job besser wird? Ich bin so müde davon, immer und immer wieder enttäuscht zu werden. Ich will doch nur endlich einen Job haben, für den ich am Morgen gerne aufstehe, der mir einen angemessenen Lohn bringt und mich nicht komplett auslaugt oder krank macht. Ist das denn so unmöglich zu finden?

Wo könnte überhaupt mein nächster Job sein? Und was? Will ich wirklich wieder im gleichen Bereich suchen? Jetzt habe ich es ja schon ein paar Mal versucht und jedes Mal bin ich wieder in der Sackgasse gelandet. Weiss ich überhaupt, was ich will? Kann ich nicht einmal dabei bleiben? Haben alle andern doch recht, die behaupten, dass ich einfach nichts durchziehen kann?

Bin ich eine Versagerin? Bin ich vielleicht einfach faul? Oder bin ich zu sensibel für diese Welt und für den Arbeitsmarkt? Andere schaffen es doch auch, mal länger im gleichen Job zu bleiben. Was mache ich falsch? Bin ich einfach ein schlechter Mensch, nicht lebensfähig in der heutigen Welt?»

Stopp!

Das Gedankenkarussell muss unterbrochen werden. Die Gedanken werden nämlich nicht konstruktiver oder lösungsorientierter. Im Gegenteil, die Selbstvorwürfe nehmen erst gerade an Schwung auf. Und wenn du mal in der negativen Gedankenspirale gefangen ist, braucht es einiges, um wieder rauszufinden.

Wenn ich früher Tagebuch geführt hätte, wären das wohl meine Einträge gewesen. Ich erlebte dieses Wechselbad von Emotionen persönlich immer wieder. Von völlig begeistert zu absolut frustriert.

Ist der Job falsch? Oder bist du es?

Nein, sicher nicht. Nur warst oder bist du nicht am richtigen Ort. Schliesslich lässt du eine Blume, die nicht so richtig gedeiht, auch nicht einfach im Schatten ohne Wasser stehen, oder? Sondern du stellst sie an einen anderen Platz mit mehr Licht, gibst ihr Wasser, allenfalls auch Dünger und kümmerst dich um sie.

Warum also machst du das nicht auch mit dir? Warum denkst du, dass du falsch bist und nicht, dass vielleicht einfach dein Umfeld nicht passt?

Meine volle Überzeugung ist es, dass es für uns alle die richtige Arbeitsstelle gibt. Vielleicht ist das in einem Angestelltenverhältnis, vielleicht nur Teilzeit, vielleicht sind es mehrere Jobs parallel, vielleicht ist es die Selbstständigkeit. Da gibt es so viele Möglichkeiten und auch Kombinationen! Es geht nur darum, die Kombination zu finden, die für den Moment gerade passt. Das kann für die nächsten Monate sein oder für die nächsten Jahre. Das entscheidest du individuell und du darfst dich auch wieder umentscheiden.  

DIE Stelle, die du für die nächsten zwanzig Jahre hast, wenn möglich bis zur Pension, wirst du wohl nicht finden. Das ist meiner Meinung nach eine Illusion. Auch der Arbeitsmarkt gibt das nicht mehr unbedingt her. Aber auch hier gilt natürlich wieder: Falls das für dich stimmt und du diese Stelle findest, perfekt. Ich glaube einfach, dass dies nur für einen minimal kleinen Prozentsatz der Arbeitnehmenden gilt. Erst recht, wenn noch ADHS resp. Neurodivergenz im Spiel ist.

Schon wieder kündigen? Was dagegen spricht

Die ehrliche Selbstreflexion ist zentral. Nur so kannst du die Frage, ob du schon wieder kündigen kannst oder sollst, beantworten. Was genau stört dich am Job?

Wenn es etwas ist, was sich wiederholt zeigt, dann lohnt es sich sicher, hier mal genauer hinzuschauen. Denn wenn etwas immer wieder kommt, sich nur die «Form» leicht verändert, dann ist die Chance gross, dass das Thema mit dir zu tun hat. Und dann wirst du es auch nicht los, wenn du den Job wechselst. Denn was du ganz sicher immer mitnehmen wirst, bist du selbst. Klingt logisch, nicht? 😉

Sollte also deine Kündigung einfach eine Flucht vor einem bestimmten Thema sein, dann spricht das meiner Meinung nach gegen eine Kündigung. Denn du wirst nicht flüchten können und das Thema wird früher oder später im nächsten Job wieder auftauchen.

Was hier auch als Orientierung dienen kann, ist der berühmte Satz «love it, change it or leave it». Darüber werde ich schon bald einen Blogbeitrag schreiben, denn für mich dient der Satz als Lebensmotto. Du kannst in deiner aktuellen Jobsituation gerne mal hinschauen: Liebst du deinen Job? Die Antwort wird wohl nein sein, sonst würdest du diesen Text nicht lesen. Hast du schon versucht, etwas im Aussen oder in dir, an deiner Einstellung, zu ändern? Falls das auch nichts bringt, dann kommt der dritte Aspekt: die Situation verlassen, sprich kündigen.

Schon wieder kündigen? Was dafür spricht

Wie gerade oben beschrieben, kann es ohne ehrliches Hinschauen aus meiner Sicht nicht funktionieren (nicht nur bei dieser Frage 😉). Wenn du merkst, dass der Job wirklich nicht mehr passt oder dass du dich nicht mehr mit der Firma identifizieren kannst, der Job aber nicht grundlegend falsch war, dann führt wohl nichts an einer Kündigung vorbei.

Verzweifle nicht daran, dass es «schon wieder nicht» geklappt hat. Gerade als Person mit ADHS sind im Berufsleben viele Strategien aktiv, allen voran die Anpassung. Und die funktioniert früher oder später nicht mehr, weil es einfach zu anstrengend wird. Darüber schreibe ich aber noch separat, sonst wird dieser Text viel zu lange. 😉

Klar, der Gedanke, schon wieder zu kündigen, der kann einen beschäftigen und belasten. Eine Stellensuche parallel zur Anstellung kann ziemlich anspruchsvoll sein. Und auch der Moment der Kündigung ist möglicherweise nicht sehr angenehm. Doch was ist die Alternative? Zu bleiben und innerlich zu verkümmern? Vielleicht sogar krank zu werden, Stichwort Boreout oder Burnout? Ganz sicher nicht. Kein Job dieser Welt ist es wert, die eigene Gesundheit zu opfern!

Wichtig ist dann, für sich selbst zu entscheiden, ob die Stellensuche parallel läuft, während der Kündigungsfrist oder ob du kündigst, noch ohne etwas Neues zu haben.

Was in dieser Situation helfen kann

Du siehst, es gibt, wie bei vielem im Leben, keine allgemeingültige, einfache Antwort.

Was dir, und mir, in so einer Patt-Situation helfen kann: darüber schreiben oder darüber sprechen. Auch hier ist es wieder eine individuelle Angelegenheit, was dein Favorit ist. Vielleicht kommt ja zuerst das Schreiben, um dich selbst einmal zu reflektieren, und dann das Sprechen?

Erkennst du dich wieder? Kennst du das Gefühl, in einer Sackgasse zu sein und eigentlich nur noch den Ausweg Kündigung zu haben? Erzähl mir gerne mehr darüber, ich freue mich auf deinen Kommentar. 😊 Und wenn du Unterstützung möchtest, weil du gerade aktuell in einer solchen Situation steckst: Melde dich gerne bei mir!

4 comments

  1. Besten Dank für die Überlegungen. Wie sollen Menschen 50plus mit dieser Thematik umgehen? Die Angst ist gross, keinen Job mehr zu finden. Statt zu gehen harren sie aus und werden zum Nervtöter ihrer KollegInnen

    1. Vielen Dank für die Frage! Aus meiner Sicht geht es bei Personen 50+ darum, für sich zu klären und dann deutlich hervorzuheben, was ihr Mehrwert ist, den sie mitbringen. Denn ihr Rucksack an Erfahrungen, Stärken und Skills ist gut gefüllt! Zusätzlich braucht es sicherlich eine gewisse Offenheit, Flexibilität und auch Mut. Aber gilt das nicht für alle, unabhängig vom Alter? Ich möchte nicht die Schwierigkeiten einer Stellensuche 50+ kleinreden, doch glaube ich, dass auch hier mit der entsprechenden Klarheit für sich eine klare Kommunikation nach aussen stattfinden und dadurch auch die Stellensuche in dieser Alterskategorie erfolgreich sein kann, nicht?

  2. Ach, ich arbeite echt gerne! Nur wenn mich meine Arbeit überfordert, werde ich ziemlich schnell «job-müde».
    Leider überfordert mich die letzten Jahre einiges … und so arbeite ich «nur» noch Teilzeit. Mehr Kraft habe ich nicht mehr – auch wenn mir die Arbeit unheimlich viel gibt und ich gerne arbeiten gehe.

    Mein einziger Grund um zu kündigen wäre, wenn mein Arbeitgeber meine Grenzen nicht akzeptiert. Was leider häufig vorkommt…. denn Überstunden gehören in den meisten Firmen leider zum guten Ton.

    1. Klar, Überforderung kann müde machen, völlig verständlich. Umso schöner, wenn du für dich einen Weg gefunden hast mit der Teilzeitarbeit, dass du im Job bleiben kannst, der dir viel gibt und dich nicht auslaugt.

      Und ja, Grenzen zu akzeptieren fällt nicht allen leicht. Immer und immer wieder kommunizieren und sonst halt wirklich die Konsequenzen daraus ziehen …

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